Laager Erinnerungen

Eine Zeitreise durch Laage

In Laage gab es einmal ein Kino

Mein Name ist Maria-Luise Heller, geb. Flanse, geboren 1931 in Laage. Genannt wurde und werde ich aber nur „Ria“. So kennen mich die alten Laager auch nur unter „Ria Flanse“. Ich möchte diese kleine Geschichte über das Kino in Laage schreiben, das leider nicht mehr besteht, aber ein Stück meiner schönen Kindheit war.

Mein Großvater Wilhelm Milhahn, geb. am 13.07.1866 und gest. am 8.04.1961, gelernter Fleischer, hat in den 1920er Jahren das Kino „Kammerlichtspiele Laage“ in der Johann-Albrecht-Straße 14, jetzt Breesener Straße 13, gebaut und eröffnet. Es gab schon Stummfilme in Schwarzweiß mit Klavierbegleitung. Später dann diese Filme mit Ton und Musik und dann auch die Farbfilme. Z.B. „Münchhausen“ mit Hans Albers oder „Das Bad auf der Tenne“ mit Heli Finkenzeller. Das Kino war sehr einfach eingerichtet mit Holzklappstühlen, und vorne vor der Bühne mit der Leinwand standen noch Gartenbänke. Es gab den 1. Platz und den 2. Platz. Die waren beide nummeriert, der 3. Platz war ohne Nummer. Geheizt wurde der Saal durch einen großen eisernen Kanonenofen mit einem sehr langen Rohr, das zum Schornstein führte. Die Leute aus den umliegenden Dörfern kamen mit ihren Fahrrädern, die auf unserem großen Hof abgestellt wurden. Filmvorführungen fanden am Sonnabend, am Sonntag und am Montag statt. Da nur ein Vorführapparat vorhanden war, gab es immer eine Pause, wenn die Filmrollen gewechselt wurden. Viele Leute aus Laage hatten schon ihren Stammtag und ihren Stammplatz.

Lissi Kandt, geb. Block, erzählte mir, sie musste oft für ihre Mutter, Frau Block (Bäckerei) und Frau Flohr für Montag die Karten – 1. Platz, 3. Reihe, rechts am Gang – bei meiner Oma abholen. Meine Oma notierte zuerst die Reservierungen auf einer Schulschiefertafel, dann wurden sie in den Platzplan für den bestimmten Tag eingetragen. Während der Inflationszeit fuhr meine Mutter mit den Einnahmen des Abends nach Hamburg, um dort einen neuen Film auszuleihen. Jedes Mal befürchtete sie, dass das Geld nicht reichen würde, obwohl es ein ganzer Koffer voller Geldscheine war.

Vor dem 2. Weltkrieg fuhr mein Opa mit meinem Onkel Willi Milhahn mit dem Auto nach Tessin, um in einem Gasthaus Filme vorzuführen. Da wir mit den Großeltern zusammen im Hause wohnten, haben meine Schwestern Ruth und Elly und auch ich oft mal einen Film gesehen, der noch nicht für unser Alter bestimmt war. Wir haben dann hinter dem Vorhang beim Eingang oder der Hoftür gestanden. Einmal stand ich wieder am Eingang hinter dem Vorhang, als der Polizist Herr Waterstrat zur Kontrolle kam. Meine Oma hat Herrn Waterstrat dann zu einem freien Sitzplatz gebracht, damit ich aus meinem Versteck herauskam und schnell im Wohnhaus verschwinden konnte. Die Filme damals waren gegen heute so harmlos, aber trotzdem damals für Jugendliche verboten. Meine Großeltern wollten gerne das Kino modernisieren, aber bis 1939 fehlte das Geld. Dann kam der 2. Weltkrieg und es gab keine Baugenehmigung mehr, weil das Kino ja nicht kriegswichtig war. Nach dem Kriegsende am 8. Mai 1945 mussten erst Filme für die russischen/sowjetischen Soldaten vorgeführt werden. Dann wurden 1945/46 alle Kinos in der sowjetischen Zone enteignet, weil sie zu den Propagandamitteln zählten. Auch das Kino meines Opas wurde enteignet, obwohl er nicht Mitglied in der Hitlerpartei (NSDAP) war. Er bekam eine Entschädigung angeboten, da er nachweislich kein Nazi war, die er aber ausschlug. Danach waren mein Opa und auch meine Mutter, Grete Flanse, geb. Milhahn, erst noch Angestellte im eigenen Kino.

In den Jahren 1950 – 1954 wurde dann das Kino, welches schon von fremden Leuten geführt wurde, von der Verwaltung in Schwerin umgebaut und vergrößert. Wir alle mussten aber trotzdem durch das Foyer des Kinos gehen, um in unser Haus zu kommen. Außerdem mussten wir ein Zimmer im Erdgeschoss für das Büro abgeben. Nach der Wende 1990 war dann Schluss mit den Filmvorführungen, weil die Verwaltung aufgelöst wurde. Das Kino gehörte ja dem Staat. Da mein Opa 1961 verstorben war, haben die Erben, wie mein Onkel, versucht, eine Rückführung in Privatbesitz zu erreichen. Leider kam es nicht dazu. Sie hätten es nur für viel Geld, was aber nicht vorhanden war, zurückkaufen können. Das war das Ende der „Kammerlichtspiele“ in Laage! Nun ist vorn ein Einzelhandelsgeschäft, und hinten sind Wohnungen, wo einst der Kinosaal war. Der Eingang ins Wohnhaus, welches immer Privatbesitz war, wurde verlegt.

So erinnert nichts mehr an unser Kino in Laage! Aber die schönen Kindheitserlebnisse kann mir keiner nehmen.

Leider habe ich kein Bild vom alten Kino vor dem Umbau 1950/54, sondern nur dieses von 1987.

Das ehemalige Kino (1987)

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