Ehemalige Handballer erinnern sich
Die erste große Zeit des Laager Handballs Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist eine erweiterte Darstellung der Entwicklung des Laager Handballsports gegenüber der Darstellung im Buch ,,Laager Geschichten“.
Dieselben Autoren, Klaus Bibow und Rolf Berndt sowie weitere ehemalige Aktive wollen hier eine erweiterte Geschichte des Handballsports in Laage dokumentieren. Der vorliegende Beitrag behandelt die Zeit des Handballspiels auf dem Großfeld und die Anfänge auf dem Kleinfeld im Männer-, Frauen- und Jugendbereich. Der Zeitraum erstreckt sich etwa von der Vorkriegszeit bis Mitte der 1960er Jahre. Das ist auch die erste große Zeit des Laager Handballs, insbesondere des Männerhandballs, obwohl historisch gesehen es eigentlich die Frauen waren, die den Handballsport in Laage einführten.
Dazu ein kurzer Rückblick: Als genereller Geburtstag des Handballs in Deutschland gilt der 29. Okt. 1917, als der Berliner Turnwart Max Heiser festlegte, dass das 1915 von ihm für Frauen entworfene Spiel „Torball“ zukünftig „Handball“ heißen sollte. Mit diesem Spiel wollte er für Mädchen und Frauen eine Möglichkeit schaffen, sich auszutoben, da Jungenspiele, wie beispielsweise Fußball, ihm zu körperbetont erschienen. 1919 mochte ein weiterer Sportlehrer das Handballspiel dann auch für Jungen und Männer attraktiv, zunächst jedoch für das Spiel auf dem „Großfeld“. Die Abmaße für das Spielfeld und des Tores entsprachen dem des Fußballs.
Erste Hinweise für den Beginn des Handballspiels in Laage liefern ein Vereinsbild des F.C. Corso Laage 07 aus dem Jahre 1927 und das Festbuch zum 20-jährigen Stiftungsfest des F.C. Corso am 14. und 15. Mai 1927. Dort heißt es in einem Programmpunkt:
„Damen-Handball-Diplomspiele zwischen: F.C. Corso Laage und den Damenhandballmannschaften von 1899 Rostock und dem Landespolizeisportverein Rostock“ (Unter der Bezeichnung Diplomspiele wurden Spiele ausgetragen, um den Vereinen die Gelegenheit zu geben, ihre Spieler zu testen und danach die Teams für die ersten Mannschaften zu melden.)
Vielleicht waren diese beiden Spiele die ersten offiziellen Handballspiele in Laage. Was den Männerhandball anbetrifft, nennt Willi Arft, einer der ältesten Zeitzeugen des Laager Handballs, folgende Sportfreunde, die vor dem Krieg in Laage Handball gespielt haben. Das waren die Sportfreunde: Heini Waterstrat, Fritz Vorbeck, Günter Lehmkuhl, die Sportfreunde Prestin, Eickhof, Hennings, Kospor, Karl Possehl, Heinz Sternwedel, Hermann Flohr, Friedrich Krakow und Willi Arft selbst. Aber nicht olle genannten Spieler machten noch Kriegsende weiter und waren auch nicht mehr dabei als sich im Sommer 1948 die Sektion Handball bei Traktor Laage bildete. Der Ort der Gründung war der „Mecklenburger Hof“, heutiges Amt Laage.
Über diese Zeit schreibt Hanner Koss, ein ebenfalls aktiver Handballer, folgendes:
„Erste Kontakte noch 1945 gab es in den Jahren 1947 / 1948 im Friseurladen von Frank, in der Breesener Straße. Hier in diesem Laden war Jochen Kracht, der später gewählte Sektionsleiter, als Friseur tätig. Hier trafen sich die Sportler, die den Handballsport zu ihrer Sportart gewählt hallen. Das waren damals Fritz Vorbeck, Heinz Sternwedel (bekannt unter Tau tau) und ich, Hanner Koss, als junger Bursche, sowie weitere Handballfreunde aus Laage und Umgebung. Geredet wurde, wie es früher beim Friseur üblich war, über alles, über Goll und die Welt und so auch über den Handball. So entstand hier der Plan, die Fußballer hatten es bereits vorgemacht, eine Sektion Handball in der BSG Traktor Laage zu gründen. Jochen Krachts Zeit als Sektionsleiter dauerte bis Anfang der 1960er Jahre. Große Unterstützung erhielt er von allen, die sich dem Handballspiel verschrieben hatten. Neben seiner Tätigkeit als Sektionsleiter war er auch als Handballschiedsrichter aktiv tätig. Wenn bei den Fußballern einmal Not am Mann war, dann half er auch hier aus. Auch bei der Handballmännermannschaft musste er einspringen, wenn nicht ausreichend Spieler zur Verfügung standen. Zu nennen ist auch seine uneigennützige Tätigkeit im Kreis- und Bezirksfachausschuss Handball. Durch sein Wissen und durch seine sportliche Fairness war er ein gefragter Sportler dieser Zeit.
Somit wurde der Handballsport in Laage über jahrzehntelang von Jochen Kracht geprägt. Er war es auch, der die erste Männermannschaft nach der Gründung der Sektion Handball im Jahre 1948 aufbaute und formte. Er organisierte in Laage den gesamten Spielbetrieb für die Männer-, Jugend- und Frauenmannschaften, organisierte Handballturniere und war ein guter Lehrmeister für junge Handballspieler, die sich an unseren Skatturnieren beteiligten, denn wir hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, dass wir an Trainingsabenden zunächst unsere Mannschaftssitzungen durchführten und danach noch einige Skatrunden spielten. Große Ausdauer zeigten dabei die Sportfreunde Jochen Kracht, Willi Arft, H. Heini Greese, Werner Gerullat und Dr. H. Jürgen Pohlmann. Alle vom Sektionsleiter zu bewältigenden Aufgaben waren unter dem Aspekt der ersten Nachkriegsjahre zu realisieren, zu einer Zeit, wo es an allen Dingen fehlte. Ja, nicht einmal ausreichend Handbälle standen zur Verfügung. So passierte es, es war bei einem Heimspiel gegen SV Bernitt, als Fritz Vorbeck beim Stand von 3:3 den Ball gegen die Querlatte donnerte und der Ball war im Eimer. Was nun? Ein weiterer Handball stand nicht zur Verfügung. Auf also zu Friedrich Präger, dem Fußballwart in der Pfarrstraße. Er konnte nur mit einem Fußball aushelfen. Aber zum Glück einigten sich beide Mannschaften darauf, das Spiel mit dem Fußball weiterzuführen. Das Spiel wurde mit zwei Toren Unterschied von uns gewonnen und wir erreichten trotz dieser Notlösung den Aufstieg in die Bezirksklasse.
Die Fahrten wurden damit weiter und die Gegner stärker. Es ging nunmehr u. a. zu den Vereinen: Chemie Bützow, Traktor Schwaan, Dynamo und Empor Schwerin. Aber auch andere Schwierigkeiten bewältigten wir, so auch die Winterfahrten zu Auswärtsspielen. Unser Transportfahrzeug war ein LKW mit Holzbänken und als Überdachung eine Plane. Uns blieb nichts weiter übrig, als uns warm anzuziehen, Leder- und Filzstiefel, dicke gefütterte Jacken und Pudelmützen taten ein übriges, um hohe Minustemperaturen zu überstehen. Dazu besorgte Willi Arft vom #Ackerbürger Wilhelm Schröder, der schräg gegenüber wohnte, Stroh zum Abdichten der Wagenfläche, das aber nach der Rückkehr vom Spiel wieder zurückgebracht werden musste. Es wäre ja sonst seinen Kühen entzogen worden. Aber auch ein kleiner „Stopp“, eine Pause tat uns gut und wenn es dann noch Käse von Willi gab, den er durch welche Beziehungen auch immer, günstig besorgen konnte, dann war trotz der Kälte gute Laune angesagt. Auch die Einkehr in bekannte „Stätten“ trug zum Wohlsein bei.
So mancher Halt, z.B. in Witzin bei Sternberg, in Rom bei Parchim, im Stadtkaffee in Parchim und in der Güstrower „Alten Mühle“ bleiben in guter Erinnerung.“
Auch zum Spielbetrieb und zu den Ergebnissen in dieser Zeit schreibt er folgendes:
„Unser erster Trainer war Willi Arft, er selbst spielte damals noch bei Anker Rostock, später Motor West sowie Motor Rostock in der DDR-Oberliga. Während seiner Zeit in Rostock wurde er 1948 Ostzonenmeister und gehörte zur späteren DDR-Meisterschaft. Er beherrschte alle Facetten des Handballs und versuchte, in beharrlicher Kleinarbeit und mit großem Interesse unser Spielniveau zu erhöhen. Unser erstes Spiel war gegen die Laager Fußballer. An Zuschauern mangelte es nicht, aber an Spielerfahrung. So verloren wir damals mit 11 :9 Toren. Der Spott der Fußballer war nicht zu übersehen. In späteren Spielen gingen wir dann aber stets als Sieger vom Platz. Unser zweites Freundschaftsspiel gegen „Flügelrad“ Rostock wurde mit 12: 11 Toren gewonnen. Ein schwer erkämpfter Sieg, der unseren Elan weiter stärkte.
Mit neuem Mut und Spielfreude sowie mit einigen neuen Spielern ging es im Kreis in die erste Meisterschaftsrunde. Dabei konnten wir auf einige Neuzugänge zurückgreifen, und zwar auf die Spieler Fritz Ahlgrimm, Lehrer aus Bad Doberan, Günter Tilk, Lehrer aus Schwaan, Friedhelm Hohmann, Lehrer aus Dessau und Werner Gerullat von Motor Warnemünde. Auf Anhieb wurde die Mannschaft Kreismeister und damit Aufstiegsberechtigter in die Bezirksklasse. Unsere Mannschaft hatte einmal in der Woche Abendtraining. Wenn am Sonntag keine Spiele angesetzt waren, trainierten wir auch Sonntagvormittag.
Das größte Handballerlebnis in diesen Anfangsjahren hatten wir Pfingsten 1951. Durch den guten Draht, den Willi Arft zu seinem Verein in Rostock hatte, kamen wir in den Genuss, gegen die komplette erste Mannschaft von Motor Rostock in Laage vor über 600 Zuschauern zu spielen. Mit 32:3 Toren verloren wir dieses Spiel. Am schlimmsten war es für unseren Torwart Wolfgang Kuli, die vielen Tricks der Rostocker ließen ihm keine Chancen. Günter Tilk warf das erste Tor für uns in der ersten Halbzeit, in der zweiten Halbzeit gelangen mir dann die beiden weiteren Tore.
Für mich hatte dieses Spiel einen hohen Stellenwert, denn ab sofort spielte ich bei Motor Rostock in der DDR-Oberliga Junioren. Nach 2 Jahren kehrte ich nach Laage mit einem großen Koffer voller Erfahrungen zurück. Den Sprung von der Juniorenmannschaft in die erste Männermannschaft habe ich damals leider nicht geschafft. Viel Spieltechnik und körperliche Fitness habe ich bei beiden Trainern Fiele Rehder und Paule Mundt gelernt, die ich nunmehr in Laage weitergeben konnte, sowohl als Spieler wie auch als Übungsleiter.
Neben dem obligatorischen Punktspielbetrieb beteiligten wir uns auch an diversen Großfeldhandballturnieren, so u.a. in Raduhn, Groß Laasch, Stavenhagen, Bützow und Teterow. Jedes Jahr spielten wir mit um den silbernen und goldenen Pokal der Sportvereinigung Traktor. Der „Silberne Traktor“ wurde zweimal gewonnen.“
Soweit die Erinnerungen von Hanner Koss über seine Handballjahre in Laage.
Trotz der schwierigen Bedingungen erlebte der Laager Handballsport in den 1950er-Jahren seine erste große Zeit nach dem II. Weltkrieg. Dass das erreicht wurde, verdanken die Laager Handballfreunde vor allen Dingen sich selbst, den treuen Anhängern und ihrem Sportfreund Jochen Kracht, der lange Zeit die Zügel als Sektionsleiter in der Hand hatte. Glück hatten wir Handballer auch, dass wir in unseren Reihen einen Spieler von großem Format hatten und das nicht nur körperlich gesehen, sondern im Hinblick auf sein handballerisches Können, denn während seiner besten Handballjahre spielte er zusammen mit „Paule“ Mund, „Fiele“ Rehder und mit noch weiteren Größen des Handballsports in Rostock. Es war unser Handballidol Willi Arft. Auch wir jungen Burschen besuchten des Öfteren die Spiele in der traditionsreichen Sportstätte „An der Hans-Sachs-Allee“ in Rostock. In Erinnerung geblieben sind uns aus dieser Zeit die Spielfläche aus roter Sanderde, die zigtausenden Zuschauer aus Rostock und Umgebung und die großartigen Handballmannschaften aus Leipzig, Magdeburg, Premnitz usw.
Ein bisschen Stolz empfand die Laager Handballgemeinde auch, wenn sie sah, wie ihr Handballidol Willi Arft von der Rastocker Mannschaft bei Auswärtsspielen mit einem großen Bus abgeholt bzw. wieder Heim gebracht wurde. Das war schon was Besonderes, wenn dieser Bus vor seinem Haus, in der Breesener Straße stand und kurzzeitig die Straße an dieser Stelle versperrte.
Aber auch der so oft im Laager Sportgeschehen genannte „Papi“ Arndt war ein Förderer des Laager Handballs. Zeitweilig spielte er selbst und war einige Zeit Sektionsleiter der Handballer und Leichtathleten. Sein besonderer Einsatz galt, wie ja bekanntlich bei allen Sportarten, der Förderung des Nachwuchses. Junge Sporttalente, wie Dieter (Racker) Böldt, Klaus Dahm, Karl-Heinz Sternberg, Klaus Rüstow, Günter Bull und Lüdwig Stüdemann gewann er letztlich für den Handballsport, obwohl einige von ihnen auch noch in anderen Sportarten tätig waren.
An dieser Stelle noch ein kurzer „Einwurf“ von Hanner Koss:
„Persönlich hatte ich sehr viel mit „Papi“ Arndt zu tun, da ich ab 01.09.1954 eine Anstellung als Sportinstrukteur bei der BSG Traktor Laage erhielt, das heißt, ich hatte u. a. die Aufgabe, Dinge zu organisieren, die „Papi“ Arndt als zeitweiliger BSG-Vorsitzender festlegte. Es war eine Zeit, die ich nicht vergessen werde, da wir uns auch handballmäßig gut weiterentwickelt hatten und die Zielstellung verfolgten in die Bezirksliga aufzusteigen. Leider reichte es am Ende der Saison nur zum 2. Platz in der Meisterschaft und der Aufstieg war dahin. Die Enttäuschung für mich und für die Mannschaft war groß. Meine Enttäuschung besiegelte ich dann mit dem Weggang aus Laage. Mich zog es dann 1955 in den Süden Deutschlands, ich blieb aber auch dort dem Handballsport treu.
In späteren Jahren kehrte ich in die ehemalige DDR zurück und wohne heute glücklich und zufrieden in Schwerin.“
Aber noch einen weiteren unermüdlichen Kämpfer für die Sportarten Handball und Leichtathletik müssen wir nennen, denn er war auch für uns ein absolutes Vorbild. Es ist Heinz Stemwedel, in Laage geboren, als Postbote und ebenso als Sportler bekannt und geachtet, vertritt er eine Sportgeneration, die den II. Weltkrieg glücklich überstand und auch sofort dabei war, den Sport in Laage wieder zu beleben. Seine sportliche Laufbahn als Handballer und Leichtathlet begann bereits im frühesten Jugendalter. Er war zielstrebig und ehrgeizig und war mit großem Eifer dabei. Bei den DDR-Postmeisterschaften im Mehrkampf errang er persönliche Erfolge. Eines seiner größten Ziele bestand darin, dass alle Sportler der BSG Traktor Laage das Sportleistungsabzeichen ablegen. Mit dieser Zielstellung fand er bei „Papi“ Arndt die größte Unterstützung und Hilfe, u. a. auch mit der Beschaffung von Geräten wie Männer und Frauenkugeln, Speere, Diskusscheiben usw. Als Ersatz für die Laufbahnen dienten zunächst die Laager Waldwege. Aber schon ab 1957 gab es die erste 400 m Bahn auf der Recknitz-Kampfbahn.
Soweit zunächst einmal unsere Erinnerungen aus der Sicht von handballbegeisterten Jugendlichen und von heranreifenden jungen Handballspielern. Die am Ende dieses Beitrages im Anhang bereitgestellten Bilder zeigen die große Zeit des Handballsports in Laage und zeigen viele der im Beitrag genannten Spieler in ihren jeweiligen Mannschaften. Alle diese Bilder sind im Zeitfenster von 1948 (Gründung der Sektion Handball) bis Mitte/Ende der 1955er Jahre entstanden. Danach vollzog sich ein erster großer Generationswechsel und auch der verstärkte Übergang vom Großhandballfeld zum Kleinhandballfeld und zum Hallenhandball. Doch bis zum ersten Hallenhandballspiel in Laage werden noch einige Jahre vergehen, denn erst mit der Fertigstellung der Schulsporthalle im Jahre 1978 kann man vom Hallenhandballspiel in Laage reden.
Teiltext: Hanner Koss
Quellen: Erinnerungen ehemaliger Laager Handballer
Teil 2 => klick
#Laage | #LaagerErinnerungen | #Handball | #FCCorso07 | #BSGTraktor Laage | #WilliArft | #Sporthalle | #HeinzStemwedel | #Stemwedel