Laager Erinnerungen

Eine Zeitreise durch Laage

Das Leben auf dem Bauernhof

Von Rollerrennen, Rübenverziehen und Tanzunterricht

Meine Kinder- und Jugendzeit erlebte ich auf dem Bauernhof meiner Eltern in Breesen bei Laage. Als drittes Kind wurde ich 1941 in Rostock geboren. Meine drei Geschwister, Jürgen (1934), Horst (1936) und Elke (1943), die 2013 verstorben ist, bildeten den familiären Nachwuchs der Eheleute Herbert Kellermann (1903 bis 1979) und Betty Kellermann geb. Harms (1904 bis 1988), die aus Börgerende stammte.


Familie Herbert Kellermann 1943

Im weiteren Verlauf meiner Erinnerungen, möchte ich zuvor einige Bemerkungen zum Hof selbst machen.

Der ehemalige Bauernhof befand sich im Dorfzentrum von Breesen. Es war ein „Vierseitenhof“ mit Viehstall und zwei Scheunen. 1897 sind durch Blitzeinschlag alle Gebäude abgebrannt. Nur das Wohnhaus blieb unbeschadet stehen. Mein Großvater Albert Kellermann konnte in kurzer Zeit in der Mitte der Ackerfläche von rund 50 ha einen neuen Hof errichten, der früher als Hufe Nr.1/ heute Laage OT Breesen 1/ benannt wird. Auf der Vorderseite des Wohnhauses steht das Errichtungsdatum „A.K. 1899“ (Albert K.). Von Laage kommend, hinter dem Pludderbach, fährt man durch unsere Ländereien und linksseitig liegt dann unser Gehöft. Es ist ein „Dreiseitenhof“, der von der Behörde in Güstrow unter Denkmalschutz eingestuft wurde. Nachdem der Viehstall, in der Wartung wohl etwas vernachlässigt wurde, brach durch Orkanböen am 15.01.1993 ein Teil des Gebäudes ein. Zum Wiederaufbau stellte der Denkmalschutz eine große Summe zum Wiederaufbau in Aussicht.


Dreiseitenhof Breesen

Über viele Jahrhunderte hinweg wurde die Hufe Nr.: 1 in Breesen bei Laage an männliche Nachfolger weitervererbt. Somit erhielt auch mein Vater, Herbert Kellermann, am 01. Dezember 1933 beigefügte Urkunde vom „Mecklenburg Schwerinschen Ministerium für Landwirtschaft“ zugestellt.


Urkunde vom 01. Dezember 1933

Das Eigentum des Bauernhofes behielt mein Vater bis zu seinem Sterbejahr 1979. Nach dem Tode unserer Mutter (1988) wurde eine Erbengemeinschaft ins Grundbuch eingetragen, zu der auch ich gehörte. Zwischendurch übergab mein Vater den Hof zur Bewirtschaftung in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) in Breesen.

Während ich im Teil 1 versucht habe, die Entwicklung des ganzen Bauerndorfes Breesen bei Laage bis hin zum Ortsteil Breesen von Laage darzustellen, möchte ich im 2. Teil meine ganz persönlichen Erinnerungen niederschreiben.

Dabei wird mir schon jetzt bewusst, welch‘ riesige Entwicklung auf allen Gebieten in den letzten fünfzig Jahren von statten gegangen ist. Trotzdem werde ich mit den damaligen Fakten und Begriffen das wiedergeben, woran ich mich erinnern kann.

Als ich eineinhalb Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkrieges im Hitlerdeutschland geboren, habe ich natürlich keine Erinnerungen vom Hof meiner Eltern, vom Leben und Schaffen in dieser Zeit. Doch durch Erzählungen meiner Eltern, meiner Geschwister, unserer vielen Mitarbeiter und Bekannten aus Breesen und Laage kann ich von einer turbulenten Zeit in den ersten Lebensjahren berichten.

So wurden z.B. in der Kriegszeit vor dem Eintreffen der Russen alle wertvollen Dinge, wie „bestes“ Geschirr, Gold-und Silberschätze, in Holztruhen verstaute Mitbringsel von der Aussteuer meiner Mutter, sie hatte 1933 den Hofbesitzer Herbert Kellermann geheiratet, im Gartenbereich nahe des Wohnhauses vergraben. Es war natürlich ein leichtes Spiel der Russen, die den nahen Sieg über Hitler und Deutschland vor Augen hatten, restlos alles zu finden und die „Beute“ mitzunehmen.

Sehr bewegend waren die fast nicht abreißenden Flüchtlingsströme der Deutschen, die aus den heutigen polnischen Westgebieten ihre Heimat nach dem 2. Weltkrieg verlassen mussten. In unserer Scheune saßen manchmal 30 und mehr Personen, vorwiegend Frauen mit ihren Kindern. Sie erhielten von uns Essen und Trinken, bevor der „Treck“, meistens am folgenden Tag, weiterzog.

Es war besonders für unsere Mutter eine sehr besorgniserregende und schwere Zeit. Mein Vater war für den Kriegsdienst eingezogen, die täglichen Arbeiten mussten für den 50 Hektar großen Hof organisiert werden, das tägliche Essen für ca. 12 Personen auf dem Tisch stehen und vier Kinder wollten auch versorgt werden. Zum Glück konnte in dieser Zeit August Hering aus Breesen, ein Inspektor auf einem Rittergut, zumindest die täglichen Feldarbeiten einteilen, die Fruchtfolge des Anbaus auf den Feldern festlegen sowie die Sicherstellung des Saatgutes, Ausbringen der Düngervorräte usw. mit den Arbeitern besprechen und organisieren.


August Henning und Frau Henny

Mit den Jahren zog in Breesen etwas Ruhe ein.

Mein Vater konnte unverletzt von der Gefangennahme in der Normandie /Frankreich zurückkehren und durfte als Nichtmitglied in der NSDAP seinen Bauernhof, im Gegensatz zu vielen Ortsbauernführern und aktiven Nazis, die z.T. enteignet wurden, fortführen.


2. Weltkrieg / Herbert Kellermnn r.

Mein Interesse galt schon früh den vielen unterschiedlichen Tätigkeiten auf dem Feld und in der Viehwirtschaft. Aber noch war ich ja Kind und hatte viele Freiheiten. So hatte ich nach den Erzählungen im Vergleich zu anderen Kindern sicher eine „gute“ Kindheit. Alle Sorgen und Nöte nach dem Krieg bemerkte ich zum Glück nicht so sehr. Ich habe viel mit meinen Geschwistern gespielt, aber besonders mit der ein Jahr jüngeren Schwester Elke.


Spielfreundin Schwester Elke

Durch die große Anzahl von verfügbaren Arbeitskräften nach dem Krieg konnte auch meine Mutter dahingehend entlastet werden, dass mehrere Hausmädchen angestellt waren. Im Wechsel war jemand für die häuslichen Arbeiten, Mithilfe auf dem Feld und in den Stallanlagen sowie die sinnvolle Beschäftigung der vier Kinder verantwortlich. Ich erinnere mich an Else Rosenau, die sich später mit dem auch bei uns beschäftigten Ernst Grewe vermählte und deren gemeinsame Kinder Sieglinde (Püppi genannt) und Walter. Ilse Fellechner/ Redmann, die später mit ihren Kindern viele Jahre im Bauernhaus wohnte, wie auch Grete Hohmann/ Groth, Evi Moldt und Lisa Hartmann, die bei uns einen Sohn namens Dieter gebar, waren einige Jahre auf dem Hof tätig.

Weiterhin war die aus Laage stammende Irma Berg, von uns nur Irmi genannt, bei uns in Stellung, wie man es damals nannte. Auch meine drei Geschwister waren stets von ihr begeistert, weil sie sehr freundlich und lieb zu uns war und uns viel Wissenswertes vermittelte.


Irma Berg

Trotz der Erleichterungen für meine Mutter blieb das tägliche zweimalige Melken von ca. 18 Kühen, die jeden Morgen gegen 4.45 Uhr und abends gegen 17.00 Uhr mit der Hand gemolken wurden, eine große Anstrengung. Zum Glück half einige Jahre eine sehr liebe Frau Westphal von der „Häuslerreihe “in Breesen fast täglich beim Melken. Aus heutiger Sicht ist es fast unerklärlich wie jemand nach diesen täglichen Anstrengungen 7 Tage in der Woche ganzjährig arbeiten konnte. Hinzu kam, dass die Knechte und Mägde ein Frühstück um 7.00 Uhr, 9.30 Uhr Vesper, 12.00 Uhr Mittag, 16.00 Uhr Kaffee und gegen 19.00 Uhr ein Abendbrot erhielten. Über das mühevolle Einkaufen im 3 km entfernten Laage, vorwiegend beim Kaufmann Rüstow in der Breesener Straße, und anderen normalen zeitaufwendigen Besorgungen, möchte ich mich gar nicht weiter auslassen. Auch mein Vater war von früh bis spät „auf den Beinen“- stets für alles verantwortlich – aber die Lebensleistung meiner Mutter, die täglich 16 bis 18 Stunden „arbeitete, kann ich sicher nicht umfassend wiedergeben.


Unsere "Supermama" im Ruhestand

Ja, durch diese täglichen Abläufe, die vorwiegend hier meine „Supermama“ betrafen, lernte ich früh alle Mühen kennen. Sie prägten auch mein späteres Leben. Das Spielen mit den zugezogenen Kindern wie Heini Jaschinski und Werner Tuchel von der uns gegenüberliegenden „Häuslerreihe“ und anderen Kindern wie Kurt Liedtke und Dieter Düsterhöft, waren angenehm und für mein späteres Leben sehr wichtig.


2018_01_01 LEBEN AUF DEM BAUERNHOF (9).jpg

In dieser Zeit etwa entdeckte ich den Fußballsport. Als dann die „Westdeutschen“ 1954 Weltmeister in der Schweiz wurden, gab es noch mehr Ansporn, gemeinsam mit meinen ebenfalls fußballbesessenen Brüdern dem runden Leder nachzujagen.

Es verging kein Tag, an dem der Ball, anfangs nur eine aus Stoff geformte Kugel, ein Gummiball und später ein Lederball nicht zum Einsatz kam. Ergebnis des täglichen Spielens mit rechts, links und per Kopf gegen die Haus- oder Scheunenwand war, das Glasermeister Fritz Hilgendorf aus Laage oft mit seinem zweirädrigen Fahrradanhänger bei uns auftauchen musste, um die zerschossenen Fensterscheiben zu reparieren. Aber was tun, wenn Glas ein sehr kostbares Gut war? Es sah schon ulkig aus, wenn eine Fensterscheibe aus zwei Stücken zusammengesetzt war. Die Not macht aber erfinderisch.

Nach einem Aufruf in der Zeitung zu einem Rollerrennen in Güstrow nahm ich als 11jähriger Schüler teil. Mit meinem eigenen Holzgestell – Roller kam ich in meiner Altersklasse in den Endlauf und belegte einen vorderen Platz. Dies gab mir natürlich Mut und Selbstvertrauen. Als ich auf dem Heimweg im Laager Wald meinen Onkel Walter Katze und Tante „Lottchen“ (Dachdecker und Ziegeleiwerkbesitzer in Laage) traf und sie mir fünf Mark schenkten, „platzte“ ich bald vor Freude.


Fahrterlaubnis

Absolute Höhepunkte in der Kinderzeit waren die Geburtstagsfeiern in Laage bei meinen Cousinen Helga Köster, Gaby Katze, mit weiteren Kindern und dann die Feiern auf dem Bauernhof im Hof-und Gartengelände für Schwester Elke und mich.


Kindergeburtstage

Zum Geburtstagskaffee war im Herrenzimmer die große Tafel festlich gedeckt. Am Platz des Geburtstagskindes stand ein Lichtlein, um den Teller war ein Kranz aus Buchsbaumzweigen gelegt und ein ausgesuchtes Lied wurde zur Ehre gesungen. Mit dem letzten Stückchen Kuchen in der Hand ging es dann hinaus zum Toben. Während sich die Erwachsenen im Haus erfreuten, wagten wir Kinder manchmal ganz gefährliche Spielchen. Das Springen und Rutschen auf der Strohmiete mit zwischenzeitlichem Verschwinden in den Strohballen war noch zu ertragen, aber das Hochklettern in den Rohren des Heugebläses bis auf den Heuboden war sehr gefährlich. Auch wenn Schwester Elke und ich einige Vorteile beim Kennen der Umgebung hatten, zeigten und gaben wir alles. Ja, wir konnten und wussten ja alles besser, anstatt die Ratschläge der Eltern anzunehmen.

Wenn dann Helga Köster als „Kaufhauskind“, die im neuen und schönsten Kleidchen erschien, verschmutzt und nicht mehr ganz exakt aussah, schimpfte Tante Grete Köster zum Bedauern aller Kinder mit ihrer Helga.

So feierten nicht nur die Kinder, sondern oftmals war auch die ganze Verwandtschaft dabei. So die Kösters, Grete/Walter vom Kaufhaus, (Breesener Str.34/35) die Katzes, Lotte/Walter vom Dachziegelwerk, (Breesener Str.72) die Schumanns (Diakon Willi/Edith geb. Russow) und die Russows von der Schlachterei (Elfriede geb. Babendeerde/Rudi) waren gern in Breesen zu Besuch. Beide letztgenannten Familien wohnten im Geschäftshaus Breesener Str.56. Auch die Verwandten Martha Russow und Ehemann, (Breesener Str. 66) und Otto und Else Kellermann, die Eltern von Lottchen Katze, (Goethestr.12) waren gern gesehene Gäste.


Herrenrunde


Immer neugierig war ich beim Besuch von Handwerkern auf unserem Hof. Sehr aufmerksam war mein Vater bei Störungen elektrischer Anlagen im Wohnhaus oder in den beiden großen Scheunen und den Nebengebäuden. Hier war die Firma Abs, voran der Seniorchef und der Sohn, der spätere Nachfolger Fritz Abs, damals noch Lehrling im elterlichen Unternehmen, für alles zuständig. Schon beim Eintreffen bat meine Mutter und vor allem auch meine Großmutter den jungen Fritz um ein Musikstück an unserem Klavier. Dieser ließ sich nicht lange bitten und schmetterte herrliche Musikstücke zur Freude aller Mithörer durchs große Haus. Ein zünftiges „Bauernfrühstück“ gab es stets als Dank für das Erscheinen und die gute Erledigung der Arbeit hinterher.


Elektro Abs

Genauso erging es dem Schornsteinfeger Rolf Karsten beim ständigen Kehren der Schornsteine. Als ich Rolf nach vielen Jahren in Laage traf, schwärmte er fast von den Besuchen bei uns in Breesen. „Bevor es auf’ s Dach ging, gab es erst ein deftiges Frühstück.“

Große Sorgen gab es besonders in der kalten Jahreszeit mit der hofeigenen Wasser- Pumpenanlage. Sie speiste das Wohnhaus und das Stallgebäude für Pferde, Schweine, Kühe und die Waschküche mit Wasser. Auf Brunnenbaumeister Pantlitz war stets Verlass, er half zu jeder Tageszeit. Wenn aber „nur“ der lange Lederriemen vom Motor zur unteren Riemenscheibe an der Pumpe abgesprungen war, kam ich als etwa 12jähriger zum Einsatz. Am Rohrsystem festhaltend, kletterte ich etwa fünf Meter in die Tiefe und konnte für Abhilfe sorgen.

Hoch interessant waren stets Arbeiten am Ziegeldach, Pappdach, oder an den Dachrinnen. Hier war Dachdecker Gerullat lange Zeit erster Ansprechpartner bis der junge Meister Klaus Bibow für alle Arbeiten, wie das Auswechseln undicht gewordener Dachpfannen und Erstellung neuer Schornsteinköpfe die Verantwortung übernahm. Ich weiß, dass mein Vater mit seiner Arbeit stets sehr zufrieden war. Wohl auch deshalb bekam die Firma Bibow in späteren Jahren den Auftrag, das ganze Dach des Wohnhauses neu einzudecken.

Im Jahr 1947 wurde ich in die Grundschule Breesen eingeschult. In der Schule gab es Mehrstufenunterricht, d.h., die Klassen eins bis vier wurden in einem großen Raum von einem Lehrer unterrichtet. Der Lehrer hieß Werner Klöres, der aufgrund der hohen Schüleranzahl im Jahr darauf Verstärkung durch Lehrerin Fräulein Jurgeit erhielt. Sie wurde übrigens die Ehefrau von dem Junglehrer Werner Klöres, die beide an der Liessower Schule viele Jahre unterrichteten und in Liessow wohnten. Ich erinnere mich, dass es in den Unterrichtsstunden sehr ruhig war, aber dafür in den Pausen die Schüler aus Breesen und auch aus Subzin viel auf dem angrenzenden Schulhof und Sportplatz gespielt und getobt haben. Ein Höhepunkt war die Einführung eines Pausenbrötchens, welches wohl in erster Linie für die Umsiedler- und Flüchtlingskinder gedacht war.


Grundschule Breesen 1949 - Klasse 3 und 4

Gern erinnere ich mich an die Zeiten im Monat Mai, wenn abends die Maikäfer mit dem Dunkelwerden ausschwärmten. Die älteren Spielkameraden schnitten sich von den Lindenbäumen lange Zweige ab, um möglichst viele Maikäfer zu fangen. Fast jedes Schulkind hatte eine leere Streichholzschachtel dabei, um am nächsten Tag in der Schule „Freude“ und „Ärger“ zu bekommen


Grundschule Breesen

Auch an die langen Abende in den Wintermonaten und besonders in der Vorweihnachtszeit denke ich gern zurück. Die ganze Familie mit einigen Arbeitern traf sich in der großen Stube. Bei einem Talglicht auf dem Tisch wurden Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. Jeder erzählte Erlebtes oder gab „Überliefertes“ zum „Besten“. Dort erfuhr ich viel aus früheren Zeiten. Oft wurde auch eine Flasche Wein geöffnet, die vom großen Rebenstock an der südlichen Hauswand stammte. In der heutigen Zeit wäre es wohl unvorstellbar einen Abend ohne Radio, Fernsehen und Smartphone verbringen zu können.

Sehr erfreut und stolz war ich mit etwa 14 Jahren als mein Vater mich eines Tages mit dem Trecker eine längere Zeit pflügen ließ. Ich war oftmals viele Stunden als „Beifahrer“ dabei und kannte alle Funktionen und Einstellungen. Es war ein „großer Schlag“ (Feldstück) mit geraden Furchen, sodass eigentlich nichts „schiefgehen“ konnte.


Kleinschlepper

Gern besuchte ich die in Laage Grund– und Oberschule. Im ersten Jahr hatte ich noch kein Fahrrad. Ich versuchte, meinen Breesener Freund Kurt vom Bauernhof Liedtke stets abzupassen. Er war so bereitwillig, dass ich meine Schultasche an sein Fahrrad hängen durfte, damit ich sie nicht schleppen musste. Die knappen drei Kilometer waren ein hervorragendes Lauftraining, welches ich mühelos bewältigte. Die Lehrerrinnen und Lehrer Frau Stenzel, Frau Wendt, Herr Gotthard, Herr Strübing, Herr Passehl und besonders Frau Alice Kober, eine Wienerin, die unsere Klassenleiterin war, hatten einen guten Kontakt zur Klasse. Unvergessen ist eine Klassenfahrt nach Weimar. Im Nationaltheater besuchten wir die Aufführung „Wallenstein“, die fast sechs Stunden andauerte.


v.l. Dieter Broska, Norbert Lachmann in Breesen

In der Schule hatte ich zunächst den meisten Kontakt mit den beiden Breesenern Kurt Liedtke, Horst Gebauer, sowie mit Manfred („Massi“) Kaphengst, Norbert Lachmann und Dieter Broska aus Laage.

Zu den eindrucksvollsten Lehrern gehörte Willi,“Papi“ Arndt, unser Sportlehrer und Trainer zugleich. Er forderte und förderte mich durch die Einbeziehung in Training und Mannschaften, was mich auch in der Persönlichkeitsentwicklung enorm voranbrachte.


Klasse 8b / 1955 Grund- und Oberschule Laage

So nahm ich an Leichtathletik – und Fußballwettkämpfen und anderen sportlichen Wettbewerben der Schule teil.

Mit Jürgen Stark nominierte uns etwa 1954/55 Lehrer Arndt nach guten Leistungen in der Schul- dann Vereinsmannschaft der BSG „Traktor“ Laage für eine Fußballauswahlmannschaft des Kreises Güstrow. Wir nahmen an einem Turnier in Thale / Harz mit namhaften Mannschaften aus der DDR und dem „Westen“, wie es damals hieß, teil. So spielten wir gegen den Hamburger Sportverein (HSV), Spielvereinigung Fürth u.a.

Durch den Trainings- und Spielbetrieb im Fußball entwickelten sich viele Freundschaften, die bis heute anhalten. Auch wenn durch die Zeit des Studierens und Neuorientierungen in der beruflichen Ausbildung einige Jahre fast „Funkstille“ herrschte, habe ich durch Klassentreffen, Teilnahme an der „Goldenen“ Konfirmation, Besuche von Fußballspielen in Laage und durch die Teilnahme an den Treffen zur Erstellung der Broschüren „Laager Erinnerungen“, viele ehemalige Schul – und Sportkameraden mit großer Freude wieder getroffen. So z.B. Rolf Berndt, Klaus Bibow, Klaus Fischer, Klaus-Dieter Hopp und Heino Rüstow, der jeweils aus Blankenfelde bei Berlin anreist.


Konfirmation in Laage 1955

Ebenso freue ich mich auf die eine Generation vor mir spielenden „Kicker“ in Laage wie Fritz Abs und „Pauken“ Dahl regelmäßig zu treffen wie auch Horst „Opa“ Wulf, Horst Dohse und Hans-Heinrich Frontzek. Natürlich gehören die „Macher“ des Laager Fußballs, wie u.a. Jürgen Schülke und Klaus Dievenkorn zum Freundeskreis. Zugleich waren sie unersetzliche Hinweisgeber für das Redaktionskollegium bei bestimmten Fußballthemen für die „Laager Erinnerungen“.


Fußballer

Im Alter von 14 Jahren wurde ich in den Ferienzeiten verstärkt zur Mitarbeit bei vielen Tätigkeiten herangezogen. So war das Bringen unscharfer Pflugschare zum Schmied Möller in Breesen, später zum Schmied Paul Buchin in Laage und das Weiterfahren zum Beladen des Erntewagens von Hocke zu Hocke auf dem Feld, kleinere Aufgaben.

Fast ängstlich war ich, als ich von meinem Vater den Auftrag erhielt, während des Milchfahrens beim Schmied Buchin das Pferd mit neuen Eisen beschlagen zu lassen. Während bei den Vorderhufen der Fuß auf einem Dreibock gehalten wurde und das Schneiden, Raspeln der Hufe und Anpassen der glühenden Eisen durch den Schmied erfolgte, mussten die Hinterbeine während der ganzen Prozedur hochgehalten werden. Dabei war sich niemand sicher, ob das Pferd durch irgendwelche Einflüsse zum Ausschlagen neigte oder alles in Ruhe über sich ergehen lassen würde. Sehr erfreut war ich, wenn Ackerbürger, wie der uns gut bekannte Hans-Ludwig (Hanning) Deicke oder Vater Ludwig Deicke aus Laage oder auch Bauern aus anderen Ortschaften sich ebenfalls beim Schmied aufhielten.

Nach dem Abliefern der Milch in der Molkereigenossenschaft Laage, deren Verwalter zu meiner Zeit Groll hieß und ich fast immer meine Tante „Anning“ Vohwinkel bei der Milchkannenabgabe traf, wurden Besorgungen in der Stadt erfüllt. Meistens ging es schnell zurück, um auch das Pferd oder die Pferde für andere Aufgaben bereitzustellen. Sehr oft ging es zum Kaufmann Erich Rüstow, dort wurden Waren des täglichen Bedarfs und andere Dinge eingekauft. Ich erinnere mich noch genau an das Geschäft, da ich einige Jahre mein Fahrrad auf dem Hof abstellen durfte. Vom Eingang links ging es in den Laden und auf der rechten Seite befand sich eine Bank, die“ Mecklenburgische Depositen – und Wechselbank.“ Sie wurde ebenfalls von Erich Rüstow geführt.


Kaufhaus Rüstow im Otto Intze Haus

Nach dem Krieg waren dort eine Poststelle, Zeitungsverkauf und eine „Fußball–Toto“ Annahmestelle untergebracht. Auch ging es oft zum schräg gegenüberliegenden Schlachter Rudi Russow. Hier wurden die per Telefon bestellten Fleisch- und

Wurstwaren nur noch abgeholt. Stets steckten sie mir dann eine Bockwurst oder andere Leckereien zu. Übrigens wurde, ob bei Rüstow‘s oder Russow‘s stets am Monatsende aufgerechnet und bezahlt. Nie gab es eine Unstimmigkeit, immer nach dem Motto auf Plattdeutsch: „Watt steiht–ward betalt!“


Kaufhaus Walter Köster mit Frau Grete

Eine Besorgung, auch anlässlich des Milchfahrens, ist mir sehr im Gedächtnis geblieben. Es wurden wieder Schweine geschlachtet. Zum Abbrühen und Reinigen der Haut benötigten wir einen neuen großen Kessel, der aus Emaille bestand und schon länger beim Kaufhaus Behrmann bestellt war. So hielt ich auf der abschüssigen Breesener Straße vorbei beim Fahrradgeschäft Arft und Molkereigeschäft Dohse an. Mit Schwung wurde von den Verkäufern der Kessel auf die mit Molke gefüllten Milchkannen gehievt. Der umgedrehte Kessel hatte etwas Halt an den Milchkannen, es gab das OK und die Fahrt begann.

Ich war wohl auf der Höhe der Bäckerei Specht . Obwohl ich im langsamen Tempo fuhr, rutschte der Kessel vom Wagen und es gab einen sehr, sehr lauten Knall. Mir war, als hielt die „Stadt Laage den Atem an“, so jedenfalls hatte es den Anschein. Durch Zufall war keine Person während des Herabfallens des Kessels in der Nähe. Nur im Obergeschoss von Bäcker Specht ging ein Fenster auf und eine Frau ganz in schwarz mit schwarzem Kopftuch rief laut und sehr erregt: „Oh, mein Gott!“ Später wurde uns gesagt, dass diese Frau in dunkler Kleidung im Haus der Bäckerei Specht wohnt und Elli Auge hieß. Es war eine Tradition in unserem Hause, dass ca. drei Wochen vor dem Weihnachtsfest ein Schneider aus Kühlungsborn für etwa eine Woche bei uns einzog, um für alle Familienmitglieder neue Kleidungsstücke zu fertigen. Über das ganze Jahr wurden nach Farbe und Qualität Stoffe gekauft. Sie wurden dann nach Maßnehmen mit Kreide und Stecknadeln an einer Person, später an einer Holzfigur angepasst und Anzüge, Jacken, Mäntel etc. erstellt – also genäht. Von der Schule kommend bis spät abends schaute ich zu und bestaunte die Fingerfertigkeit des Schneiders.

Bei allen Erlebnissen ließ uns drei Jungen das Fußballspiel nicht los. An den warmen Frühlings- und Sommertagen trafen sich aus dem ganzen Ort Breesen und auch aus Subzin begeisterte Fußballanhänger, um auf dem Schulhof in Breesen Fußball zu spielen. Ein spannendes Ritual war das Einwählen der Mannschaften. Ich als stets der Jüngste wurde zuletzt gewählt bzw. als Zugabe für eine vermeintlich schwächere Truppe zugeordnet.

Bruder Horst, wohl der „Beste“ der Kellermann- Fußballer, wollte gern regelmäßig an den Trainings- einheiten von „Traktor Laage“ teilnehmen. Durch ein ständig hohes Arbeitsaufkommen auf der Bauernstelle versagte ihm oft der Vater die Teilnahme.


Mein Vater beim Rübenroden

Im Dorfzentrum befand sich über Jahrhunderte der vierseitige alte Bauernhof. 1897 ist durch Blitzschlag alles, bis auf das Wohnhaus, abgebrannt. Die im Haus noch wohnenden Familien von Bruno Ladwig, Schulze und Flüchtlingsfamilie Ehlert mussten wegen Einsturzgefahr ausziehen. Als dann eines Tages die Bauaufsicht den Abriss des alten Wohnhauses verfügte,

wurde die Zeit für eine Trainingsteilnahme meines Bruders Horst immer unwahrscheinlicher. Jetzt entschloss sich die 1.Männermannschaft tatkräftig mit einem Arbeitseinsatz zu helfen, um beim Vater freie Zeit für „Fussballer Horst“ herauszuschlagen. Als beim Abschlussessen die Mannen um Gustav „Guschi“ Zarmstorff, Herrman „Männe“ Flohr, Günter „Schluck“ Gaevert, Karl-Ludwig “Ludden“ Krüger und Ernst-August „Pauken“ Dahl versprachen, auch einen Ernteeinsatz auf dem Hof zu starten, hatte Vater Kellermann fast keine Argumente mehr, um die Teilnahme an Sportveranstaltungen von Sohn Horst in Frage zu stellen.


1. Männer von Traktor Laage

Zu gegebener Zeit nahmen weitere Fußballer wie Helmut „Schieter“ Günzel, Heinz Schülke, Gerhard „ Struppi“ Höppner, Ernst und Karl-Heinz Glowczak, Ulli Lockenvitz und Karl-Heinz Ehlert an einem vorbereiteten Einsatztag in der Erntezeit teil. Nach der tollen Hilfe gab es ein zünftiges Essen, dazu wurde mit einem kleinen Bierchen auf den Erfolg angestoßen. Eine Pressenotiz in der „Schweriner Volkszeitung“ vom 3. Juli 1957 erklärt auch die Hilfe der Fußballer.


Zeitungsartikel

Zukünftig stand für mich die Aufgabe, wie auch Bruder Horst sie erfüllte, eine Lehre zum landwirtschaftlichen Facharbeiter aufzunehmen. Es war auch eine Verpflichtung gegenüber meinem Vater, mitzuhelfen, in der immer schwieriger werdenden Zeit für private Bauern, den an lange Tradition gebundenen Kellermann-Hof weiter bewirtschaften zu können.

Im elterlichen staatlich anerkannten Ausbildungsbetrieb wurde ich in der praktischen Ausbildung unterwiesen und in der Theorie in Laage an der Berufsschule ausgebildet. Ich habe bei den Lehrern Finck, Auer, Langner und zum Teil auch bei Frau Finck viel erfahren und gelernt. Die Ausbildungsstätte befand sich in der „Korffschen Villa“.


Berufsschule Laage Karl-Hermann Finck

Ich schloss die Lehre zum landwirtschaftlichen Facharbeiter erfolgreich ab und habe mich kräftig, genau wie Bruder Horst, mit vielen anderen Knechten und Mägden – heute sagt man Mitarbeitern, an allen Arbeiten auf dem Hof beteiligt. Ja, wir hatten viele hervorragende Kräfte so z.B. Rudolf Kraatz, der für alle Arbeiten im Kuhstall im Winter und im Sommer für die Weideanlagen, Melkbucht und Drift etc. – außer dem Melken – verantwortlich war. Karl Krüger, der später den Namen Schulze annahm, Ernst Grewe beide aus Breesen, Hermann Raeder aus Laage, Hans Lehnert aus Krakow, Herbert Steinhagen und weitere fleißige Helfer sollen hier stellvertretend in Ehren genannt werden. Sie alle mussten übrigens bei Fahrten mit einem Fuhrwerk auf öffentlichen Straßen laut damaliger Vorschrift ein Namensschild am Pferd oder Wagen aushängen.


Schilder am Fuhrwerk

In dieser Zeit gab es weitere große Veränderungen in der Landwirtschaft der damaligen DDR. Dazu hatte ich im Artikel „Entwicklung des Ortsteils Breesen“ schon ausführlich berichtet.

Viele harte tägliche Arbeiten lernte ich nun noch intensiver kennen. Ob das Kartoffelsammeln oder Zuckerrüben vereinzeln (es gab noch nicht die Saat, die nur eine Pflanze aus einem Samenkorn keimen ließ) und das Roden der Rüben, von denen wie bei den Futterrüben und Wrucken per Handgerät das Blatt (für Silage) abgetrennt wurde. Es gab noch keine Kartoffel-oder Rübencombine, die das Leben wesentlich erleichterte. Unser gummibereifter Trecker und entsprechende Anhänger dazu ermöglichten bei Transporten von Kartoffeln, Schweine, Rinder, etc. zum Laager Bahnhof Erleichterung, wie auch bei der Getreidemahd, die wir anfänglich noch mit Pferden vor dem Mähbinder, dann mit dem Trecker durchführten.

Ein sehr tragisches Erlebnis habe ich bis heute genau vor meinen Augen.

Jeweils im Frühjahr wurden mit einer von Pferden gezogenen Schleppe die Maulwurfshaufen in der Koppel glatt geschleppt, um für die Kühe saftiges Gras auf ebener Fläche wachsen zu lassen. Mit diesem Auftrag hatte ich eine eher ruhige und nicht so anstrengende Aufgabe zu bewältigen. Als ich in der Nähe des Pludderbachs an unseren Kiesgruben ankam und die Ränder schön glattmachen wollte, sprangen dort ruhende Rehe aufgeschreckt davon. Dies war für mich aber besonders für beide Pferde solch‘ Riesenschreck, dass unser tolles Pferdchen, ein Warmblütler mit dem Namen “Fuchs“, auf die Hinterbeine ging und in die Kiesgrube herabstürzte. Ich sah „Fuchs“ stöhnend und röchelnd in etwa drei Meter Tiefe liegen. Wie konnte ich helfen, was jetzt tun? Wie jeder Junge auf dem Lande hatte auch ich ein Taschenmesser dabei und konnte das zweite Pferd vom Ledergeschirr und den Führungsleinen befreien.

„Fuchs“ lag dort und wurde immer ruhiger. Es tat mir unendlich leid! So schnell ich konnte, ritt ich die etwa 1500 Meter zum Bauernhaus, um von meinem Unglück zu berichten. Beim Eintreffen an der Kiesgrube sahen wir ein lebloses Pferd. Ernst Grewe ließ das Pferd ausbluten, um es der weiteren Verwendung zuzuführen. Wie wohl üblich, wurde der Schweif des Pferdes abgeschnitten und als Grundlage für Bürste oder Besen verwendet. Es war für mich ein sehr aufregender und einmaliger Tag.

Ein weiteres Erlebnis war immer wieder das Beobachten und „Spielen“ mit den jungen Fohlen in unserem abgegrenzten inneren Hofgelände. Auch erinnere ich mich daran, dass meine beiden Brüder, die fünf bzw. sieben Jahre älter sind, von den Ereignissen und Spielereien mit den Fohlen erzählten. So tollten die einige Wochen alten Fohlen mit ihrer Stuten-Mama zunächst immer eng an ihrer Seite gedrängt über den Hof. Nach einer Eingewöhnungszeit an uns, konnten wir sie durch vertraute Rufe und Gesten in unsere Nähe locken und auch durch Streicheln, Umfassen und Kraulen am Widerrist für uns gewinnen. Einen Heidenspaß erlebten wir beim Weglaufen von den Fohlen, die uns hinterherliefen und wir uns auf einen der Betonvierecke flüchteten.

Auf diese Betonvierecke war das hohe Windrad montiert. Leider musste es in den fünfziger Jahren abgebaut werden, da es nicht mehr abschaltbar war. Das etwa 20 m hohe Windrad sorgte für großen Fortschritt in punkto Energiegewinnung und war wohl weit der Zeit voraus. Viele Arbeitsaufgaben auf dem Hof wie Betreiben der Schrotmühle, Häckselschneiden (Pferdefutter) und Antrieb weiterer Geräte über eine Riemenscheibe konnten sehr effektiv und sparsam gelöst werden.


Windrad

Aufgrund einer Zeitungsannonce bewarb ich mich um die Teilnahme am Tanzunterricht in Rostock. Mit dem Motorrad bis Laage und weiter mit dem Bus zur Tanzschule von Trudl Verne-Sussek in der Willi-Bredel Straße 3, die heute die Tanzschule Geipelt beherbergt. In neun Tänzen gab es Unterweisungen, darunter auch im DDR – Modetanz „Lipsi“. Jeder der etwa vierzig Teilnehmer arrangierte sich mit einer Tanzdame. Meine mir „zugewiesene“ Tanzdame kam aus Rostock.


Abschlussball

Zum Tanzstunden Abschlussball wurde allen männlichen Teilnehmern angeraten, die Tanzdame mit dem TAXI abzuholen, die sich mit einem eigens gefertigten Einstecktuch aus weißer Spitze revanchierte. Zum Abschlussball wurde kräftig geübt, um vor den gesamten Eltern und Gästen zu bestehen. Höhepunkt war die Polonaise, die für mich zum Reinfall wurde. Ich hatte wohl mit meiner Tanzpartnerin immer einen „guten“ Eindruck hinterlassen und wurde deshalb als 1. Paar der Polonaise bestimmt. Beim Einmarsch, dann den ständigen Wechsel der Reihen mit Wendungen nach links und rechts war ich wohl so aufgeregt, dass die gesamte Polonaise durcheinandergeriet und abgebrochen wurde. Es war eine deftige Pleite für mich, da ich als führendes Paar die Verantwortung für das Gelingen der Polonaise hatte.

Zum Ende der 1950er Jahre reiften einige Entscheidungen im Hause Kellermann heran. Während mein ältester Bruder Jürgen weiter großes Fortkommen beim VEB RFT (Rundfunk und Fernmeldetechnik) Rostock sah, tagte der Familienrat, der im Ergebnis der Entwicklung der letzten Jahre nunmehr schmerzhaft feststellen musste, dass die bisherigen Schritte in der beruflichen Ausbildung von Bruder Horst und von mir zwar erfolgreich und ganz im Sinne des Erhalts des „Hofes Kellermann“ verlaufen waren, aber sie blieben in dieser Hinsicht leider nutzlos. Ab der 1960ziger Jahre vollzog sich kompromisslos die weitere Kollektivierung der Landwirtschaft, die auch unseren Bauernhof bald zum Opfer fallen sollte.

Eine weitere liebe Erinnerung war für mich immer die Zeit des Schweineschlachtens. Ich freute mich zwar und war zugleich traurig, dass Tiere ihr Leben lassen mussten, um für uns in den Kochtopf oder in die Wurstmaschine zu wandern. Jeweils vor Weihnachten wurden zwei und Ende Januar fünf weitere Schweine geschlachtet. Bruno Engler aus Laage kam zuerst mit Schlaggeräten, später zum Glück mit einem Bolzenschussgerät, um die Tiere zu töten. Dann wurde das Blut unter Rühren aufgefangen. Nach dem Ausnehmen der Eingeweide wurden die Schweine an Leitern befestigt und zum Auskühlen in die Waschküche gebracht. Zur Begutachtung kam ein Fleischbeschauer, um die Reinheit von Trichinen zu bestätigen. Danach wurde in großen Kübeln das Fleisch getrennt verwertet. Es wurde durchgedreht, geknetet und unter Zuführung von Salz, Pfeffer und anderen Gewürzen abgeschmeckt. Dies und das weitere Verfeinern des Geschmacks stand unter absoluter Regie meine Mutter.


Schlachtfest

Auf langen Stöcken wurden die aufgereihten Würste auf den Räucherboden gebracht. Hier blieben die Würste und andere ausgesuchte Fleischteile wie Schinken, Speck etc. in unterschiedlichen Bereichen und Zeiten auf dem Räucherboden, um die mit Sägespänen vom Buchenholz geräuchert zu werden. Die ganze Prozedur des Schlachtens dauerte etwa zwei volle Tage.

Noch bis ins hohe Alter heute erkenne ich die von meiner Mutter hineingebrachte Geschmacksnote, die meine Frau zum Glück übernommen hat und anwendet. So gibt es einen unverwechselbaren Geschmack bei z.B. den Wurstsorten, bei der Zubereitung von Entenbraten und Backen von braunen Pfeffernüssen. Das Kochbuch meiner Mutter mit vielen „Mecklenburger Rezepten“, die das Kochen in einer Haushaltsschule erlernte, wird sehr geschätzt und aufbewahrt.

Am ersten Tag gegen Abend der „Schlachterei“ wurde ein Festmahl für alle fleißigen Helfer gegeben. Delikatesse war Brägen, d.h. Gehirn mit Zwiebeln und weiteren Gewürzen warm zubereitet. Danach wurde auf das erfolgreiche Schlachtfest angestoßen und in den meisten Fällen mit eingeladenen Gästen, wie u.a. dem Freund des Hauses, Werner Schwaß, Bauer Werner Möller u.a. „scharfen“ Skat gespielt. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt durfte ich für Getränkenachschub sorgen und die allgemeine Freude aller Anwesenden miterleben.


links: Henny und Werner Schwaß / rechts Karl-Hermann Finck

Noch in der „Breesener Zeit“ als achtzehnjähriger Juniorenfußballer hatte ich mit den Laager Freunden viele aufregende und nicht wiederholbare Erlebnisse. Eng verbunden waren wir mit den beiden Betreuern der Juniorenmannschaft Ernst-Otto (Sonny) Thode und Karl „Körling“ Holzmann.


Junioren von Traktor Laage 1959

Unter wegweisender Hilfe und Unterstützung besonders durch den Leiter der Berufsschule in Laage, Karl- Herrmann Finck und Werner Schwaß, BHG-Leiter in Laage, zahlte sich auch das rastlose TUN der geliebten Mutter aus. Sie blickte sehr mutig und weit in die Zukunft und schaffte letztendlich die Balance, den Ausgleich zwischen Vater, Ehemann, Bauernhof und der Zukunft aller Kinder herzustellen

Durch die Einflussnahme, Propaganda und den ständigen Druck durch den Staat sollten alle Bauern für den Eintritt in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) bewegt werden. So stimmte dann auch mein Vater schweren Herzens dem Eintritt in die LPG zu.

Während mein Bruder Horst Landwirtschaft und Meliorationswesen studierte und somit der Landwirtschaft treu blieb, begann ich, begünstigt auch durch einen Unfall auf dem elterlichen Hof und der erneuten Hilfe von Herrn Finck, ein Lehrerstudium in Schwerin.

Den Hof mit Wohnhaus, dem Stallgebäude, der Scheune, dem Garten, den umgrenzenden Flächen und den Anfahrtsweg von der Straße kaufte Bauunternehmer Burghard Kull im Jahr 1993. Die Ackerflächen verkauften wir im Jahr 2000 an die BVVG (Bodenverwertungs– und Verwaltungsgesellschaft) der BRD.


2018_01_01 LEBEN AUF DEM BAUERNHOF (33).jpg

Ja, all‘ das sind einige Erlebnisse, meine Erinnerungen von der Geburt bis zu meinem 18. Lebensjahr an den Bauernhof meiner Eltern in Breesen. Nach nunmehr weit über 70 Jahren klingt auch viel Wehmut und Traurigkeit beim Lesen dieser Zeilen mit. Denn nach vielen Hunderten Jahren gibt es keinen Bauernhof mit dem Namen Kellermann mehr im heutigen Ortsteil Breesen der Stadt Laage.

In vielen Schriften und Büchern über Laage, OT- Breesen ist der Bauernhof Kellermann verewigt, wie auch zum Beispiel auf der Gedenksäule aus Anlass der deutsch-französischen Krieges von 1870/71 in der Landeshauptstadt Schwerin auf dem „Alten Garten“ ehrenhalber unser Vorfahre als im Krieg „Gefallener“ mit dem Namen F. (Franz) Kellermann steht. Für mich und gemeinsam mit meinen Geschwistern geht als letzte eingetragene Erben des Bauernhofes damit eine Ära zu Ende.

#Laage | #Breesen | #LaagerErinnerungen | #FritzAbs | #Gerullat | #Deicke | Landwirtschaft

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 Laager Erinnerungen

Thema von Anders Norén