Laager Erinnerungen

Eine Zeitreise durch Laage

Die Ackerbürgerzeit

Die Ackerbürgerzeit und die Zeit danach – Vom Mittelalter bis in die Gegenwart

Die Landwirtschaft in der Stadt Laage wurde durch zwei unterschiedlich lange Epochen geprägt, und zwar durch die mehrere Jahrhunderte lang andauernde Wirtschaftsform der Ackerbürger und durch die nur drei Jahrzehnte lang existierende Form der sozialistisch betriebenen Landwirtschaft.

Es geht hier ausschließlich um die städtische Landwirtschaft, d.h. um die Bewirtschaftung von Feldern, Wiesen und Weiden innerhalb der städtischen Feldmark.

Die Ackerbürger, die über mehrere Jahrhunderte hinweg besonders in den Kleinstädten von Mecklenburg ansässig waren, nannte man auch Stadtbauern. Ackerbau, Vieh- und Weidewirtschaft waren die Haupterwerbsquellen für den wesentlichsten Teil ihrer Einkünfte. Nebeneinkünfte aus Dienstleistungen für die Stadt, für die Bürger der Stadt und für andere Gewerbetreibende waren gefragt und begehrt. So waren u.a. die als Ackerbürger bekannten Hans-Ludwig Deicke, Carl Oloff und Wilhelm Elsner auch als Fuhrbetriebe tätig. In den meisten Chroniken der Städte heißt es, so auch in der Laager Stadtchronik, dass die Ackerbürger und die Handwerker die Entwicklung der Städte mitgestalteten.

Ihre gesellschaftspolitische Mitwirkung war bereits in der Stadtverfassung der Stadt Laage von 1768, die bis 1918 galt, verankert. Drei „Ackersleute“ waren in einem Bürgerkollegium vertreten. Der Einfluss der Ackerbürger war bis Mitte der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts so stark ausgeprägt, dass der Herzog Friedrich einschreiten musste. Dazu heißt es in der „Geschichte der Stadt Laage“ von C. Beyer wie folgt:

… , dass nicht nur in den kleinem Landstädten auf beiden Seiten der Gassen fast vor allen Häusern das ganze Jahr hindurch große Misthaufen liegen, sondern, dass selbst in größeren Städten den ganzen Sommer hindurch täglich die Kühe- und Schweinehirten wie in den Dörfern blasend und mit der Peitsche knallend aus- und eintreiben, auch die Kühe und Schweine haltenden Einwohner, welche bei ihren Häusern keine besonderen Torwege haben, solches Vieh stets durch ihre Wohnhäuser aus- und eintreiben und, wenn sie auch den Mist nicht eben, wie es in den kleinem Städten geschieht, das ganze Jahr hindurch auf der Straße liegen lassen usw. usw. usw.“

Die Straßen der Städte waren voller Misthaufen, Unrat und Gestank. Dazu wimmelte es voller Ungeziefer. Am Ende des Schreibens verlangt der Herzog deshalb, dass die Städte den Ackerbau reduzieren und sich dem Handwerksbetriebe eifriger zuwenden und die Ackersleute in die Vorstädte verweisen sollten. Die Stadt Laage antwortete etwa so:

„Eine Vermehrung der Handwerksbetriebe ist wünschenswert und würde den Wohlstand in der Stadt sehr heben, aber ohne Ackerbau können die kleinen Städte nicht sein.“

Es bleibt also zunächst einmal alles beim Alten. Veränderungen kommen in Mecklenburg ohnehin immer erst 100 Jahre später. So werden also auch weiterhin Ackerbürger und Handwerker die Weiterentwicklung der Stadt vorantreiben. Die städtebauliche Mitgestaltung der Stadt durch die Ackerbürger wird in den nächsten Jahrhunderten durch zwei charakteristische Merkmale sichtbar, und zwar einmal durch das typische große Hoftor eines Ackerbürgerhauses.

Dieses Tor war immer so groß, dass ein mit Stroh oder Heu beladener Wagen dort durchfahren konnte. Denn noch bis Mille des 18.Jahrhunderts standen die scheunenartigen Gebäude zur Lagerung von Stroh und Heu noch unmittelbar im Bereich des Wohnhauses. Ein typisches Ackerbürgerhaus war das Haus vom Ackerbürger Wilhelm Schröder, Breesener Str. 43.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (2).jpg

Das obere Bild zeigt recht deutlich die breite und hohe Toreinfahrt. Im Rahmen der Modernisierungswelle nach der Wende entstand 1992/1993 nach Abriss und Neuaufbau hier eine moderne gastronomische Einrichtung. Das neue Cafe „Schröders Hof“ mit seiner großen Kaffeekannensammlung erfreute sich größter Beliebtheit.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (1).jpg

Viele weitere Toreinfahrten verschwanden im Laufe der Jahrzehnte durch Abriss und Modernisierung der Häuserfronten. Eine alte Form der Toreinfahrten findet man auch heute noch beim hinteren Grundstückszugang von Hans-Ludwig Deicke.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (3).jpg

Ein zweites charakteristisches Merkmal war die Verlegung der Scheunen in die Randgebiete der Stadt. Der große Stadtbrand am 25. November 1759, der in der Scheune des Pfarrhauses ausbrach und größere Teile der Stadt vernichtete, war letztlich ausschlaggebend gewesen für die zukünftige Verlegung der Lagerung von Stroh und Heu aus dem Stadtgebiet heraus. So entstanden im Laufe der Jahre drei Scheunenkomplexe mit insgesamt etwa 59 Scheunen in der Pinnower Straße, am Fischteich und in der heute noch vorhandenen Scheunenstraße.

Fritz Abs, ein bekannter Heimatkundler, hat dazu gemeinsam mit den noch lebenden Ackerbürgern Karl Auge, Hans Ludwig Deicke und Willi Elsner ein Gedächtnisprotokoll erarbeitet, aus dem hervorgeht, welche Ackerbürger 1945 namentlich noch aktiv waren und wie viel Ackerflächen insgesamt bewirtschaftet wurden. Danach waren es insgesamt 29 Ackerbürger, mit einer Ackerfläche von 243 ha, einem Kuhbestand von 135 Milchkühen und einem Pferdebestand von 60.

Zu diesem Zeitpunkt waren in Laage nachstehende Handwerker für die Ackerbürger und für die Bauern und Güter der Umgebung tätig. Das Gedächtnisprotokoll enthält auch die Flurstückspläne der drei Scheunenkomplexe mit einer namentlichen Aufstellung der ehemaligen Eigentümer der Scheunen. Das sind:

Scheunenanlage 1:
Otto Wulf -Flurstück 94, Adolf Kennung -Flurstück 95,
Paul Zarmstorf- Flurstück 96, Friedrich Zarmstorf -Flurstück 97.

Scheunenanlage 2:
Walter Roß -Flurstück 87 /88, Adolf Kenning -Flurstück 89,
Martin Koß – Flurstück 91, Heinrich Auge – Flurstück 90/93.

Scheunenanlage 3:
Ernst Reinholdt – Flurstück 81, Ernst Niemann -Flurstück 82/83,
Wilhelm Auge -Flurstück 84, Otto Wulf -Flurstück 85/86.

Scheunenanlage 4:
Karl Schwanbeck- Flurstück 74, Gustav Auge -Flurstück 75,
Wilhelm Schwaß -Flurstück 76, Bernhard Steinfeld -Flurstück 77,
Gebrüder Lagemann -Flurstück 78, Gebrüder Propp – Flurstück 30.

Scheunenanlage 5:
Hermann Pries -Flurstück 115, Fritz Ulrich – Flurstück 116,
Adolf Kenning -Flurstück 117.

Scheunenanlage 6:
Karl Schröder – Flurstück E6, Wilhelm Auge -Flurstück E7,
Gebrüder Lagemann -Flurstück EB, Karl Auge -Flurstück E9.

Die Scheunen wurden überwiegend noch bis 1966 von den Ackerbürgern genutzt. Verfall und Brandschaden sowie die Schaffung von Baufreiheit bewirkten dann das völlige Verschwinden der Scheunen in der Pinnower Straße und am Fischteich.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (4).jpg

Die letzten Scheunen in der Pinnower Straße und am Fischteich.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (5).jpg

Ein Großteil der Scheunen in der Scheunenstraße wurde für die Nachwelt erhalten. Sie wurden entkernt und zu Wohnungen umgebaut. Ein anderer Teil dient heute noch den Handwerkern und Gewerbetreibenden als Lagerräume. Durch eine großzügige Erhaltungs- und Sanierungspolitik der Stadt ist es gelungen, ein Stück Ursprünglichkeit im Stadtbild zu erhalten.

Nach Rekonstruktion der Scheunenstraße.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (6).jpg

Die damaligen Scheunen in der Pinnower Straße, die ja seit einigen Jahren nicht mehr existieren, haben aber 1945/1946 noch eine gewisse geschichtliche Bedeutung für die Nachwelt erlangt, denn sie wurden im Herbst 1945zur ersten Unterkunft von vertriebenen Menschen aus dem Osten des ehemaligen Deutschen Reiches. Im August/ September 1945 wurden die Besitzer der Scheunen vom amtierenden Bürgermeister der Stadt aufgefordert, kurzfristig die Scheunen zu räumen, um sie dann für die Unterbringung der „Vertriebenen“ herzurichten. Mit dem vom Sägewerk Bremer gelieferten Material und mit den Strohrückständen in den Scheunen wurden entsprechende Schlaf- und Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen.

Draußen hinter den Scheunen gab es primitive Möglichkeiten zum Waschen und zur Verrichtung der Notdurft. Alles war zwar erbärmlich, aber dennoch für viele der Flüchtlinge und Vertriebenen eine erste hoffnungsvolle Bleibe mit einer halbwegs abgesicherten Notversorgung. Die Stadt und die sowjetische Kommandantur beschafften Kartoffeln, Kohl, Wrucken, Brot und Milch für die Kinder. Um das Risiko des Ausbrechens und der Verbreitung von Krankheiten und Seuchen gering zu halten, wurde die gesamte Scheunenanlage abgesperrt. Der Gehweg in der Pinnower Straße wurde hinter dem letzten Wohnhaus mit einem Schlagbaum und einer Kontrollstelle abgeriegelt. Die Straße, die durch die Scheunenanlage führte, wurde kontrolliert, aber für den Durchgangsverkehr freigehalten. Gott sei Dank war dieser Zustand nur von kurzer Dauer, denn kurzfristig konnten die Menschen, einige davon auch in Laage, auf andere Städte und Orte in Mecklenburg umverteilt werden.

In den Monaten Januar und Februar 1946 wurden die Scheunen dann von der Roten Armee genutzt. Sie internierten dann hier Ukrainer mit sowjetfeindlicher Haltung. Im Monat März 1946 wurden die Scheunen dann wieder zur Nutzung an die Ackerbürger übergeben. Typisch für die letzten Jahre der Laager Ackerbürgerzeit war die gut organisierte und gemeinschaftlich durchgeführte Bewirtschaftung der Weiden und Wiesen. Bei einer der zur 775-Jahrfeier der Stadt Laage herausgegebenen Schrift heißt es sinngemäß wie folgt:

„Bis in die fünfziger Jahre wurden die Kühe auf die Sommerwiese getrieben. F. Pries und ein Gehilfe waren dafür zuständig. Im Mai begann der Viehaustrieb. Morgens 6.00 Uhr ertönte vom Mark das Signal zum Austrieb. Man hatte sich zur Melodie des Bläsers einen Reim gemacht: Do-ra, Do-ra lasse die Kühe raus, sonst treib ich sie weg vom Haus! Das Signal wurde im ganzen Ort vernommen. Die Kuhbesitzer öffneten die Stallungen und die Kühe fanden alleine den Weg bis W. Elsner in der Gartenstraße. Von dort wurden sie auf die Weide geführt. Im Sommer blieben die Kühe auf der Weide hinterm Judenberg. Auch der Kuhhirl blieb in einer kleinen Hülle draußen. Abends wurden die Kühe an der Kuhregel gemolken und danach auf die Nachtkoppel bei der Börnung geführt.“

Die Herkunft der Bezeichnung „Kuhregel“ erklärt man sich wie folgt: Es könnte etwas mit dem Wort „regelmäßig“ zu tun haben. Regelmäßig kamen die Kühe hierher, um zu saufen und sich die Beine zu kühlen. Auch die Frauen kamen regelmäßig zum Melken der Kühe. Die Melkschemel hingen immer am Weidezaun. Jede Frau hatte ihren eigenen Schemel und ihren eigenen Ruf. Köte Harms, geborene Schröder, schreibt über das „Melken“ in ihren Kindheitserinnerungen sinngemäß etwa folgendes:

„Wi harden ok ne Kauh, dei hemmen wi ,Witlmul‘ nennt. Sei harr · n willes Mul und ne wille Bläss. Sei güng ganz leicht lau melken. An disse Kauh hew ik und die Kinner ul de Nawerschaft da! Melken lierl. Uns häll da! Melken ümmer väl Spaß makl. Ok Taukiekers wier n bin Melken dorbi. Da! wier ne schöne Tied ! „

Zum Austrieb der Kühe schreibt sie folgendes:

„Da! Kauhutdrieben wier ümmer an eenen Sünndag, um den 10. Mai herum, denn würden de Käuh up die Koppel drehen. Dat wier ümmer een ganz besonderer upregender Dag, besonders ok för uns Kinner. An dissen Dag dürften dei Kinner dat ierste Mal barst lopen. Da! wier ein dulles Gefäuhl, ahn Strümp un Schauh in da! schöne frische Gras laulopen. Von dissen Dag an wür denn ok bät in Harst barst lopen. Wenn die Sommer vorbi wier, harr man ne harte Fautsahl, wo kein Stein durch güng. Över laurüch lau dei Käuh: Een Woch lang kämen die Käuh noch lau Nacht werrer in dei Ställe open Hof. Sei kämen ganz allein na Hus. Wi müßten bio! rechtiedig denn Durweg upmaken, dormil sei in ehrn Stall kämen. Bö! Auge an die Eck güngen sei all lausamen, an die Krüzung deilten sei sick nah rechts, links un grad ul. Uns Käuh güngen rechts rüm bät an dei nächste Eck bi Kopmann Barteis. Uns müßten links rüm un väll müßten na · n Markt dal. Uns Käuh güngen bäl an die Eck von Melkgeschäft Dohse, dor verafschiedeten sei sick denn endgültig rechts rüm un rinn durch den Durweg in die Breesener Stral 43.“

Auch die vor vielen Jahren von Hugo Hehl beschriebene Heuernte in den Langkabelwiesen hinter dem Bahnhof werden wir so nie wieder erleben. Im V. Kapitel seines unveröffentlichten Manuskriptes „Eine Straße schreibt Geschichte“ heißt es sinngemäß: „Die meisten Wiesen von den Laager Bürgersleuten und Ackerbürgern liegen an der Recknitz hinter dem Bahnhof. So auch bei der Henningsmühle herum und am Kronskamper Privatweg. Auf der anderen Seite der Recknilz gehörten die Wiesen zu Kronskamp und Levkendorf. Früher wurde auch noch Torf dort gestochen und in den Torflöchern siedelten sich Fische an. Doch nach und nach wuchsen die Torflöcher wieder zu. Teilweise musste das Heu rausgelragen werden. Die Pferde bekamen bei weichem Untergrund Schuhe an die Füße, damit sie nicht einsinken konnten. Diese Wiesen wurden in den Flurkarten als Langkabelwiesen benannt.


2016_01_02_Die Ackerbürgerzeit Bild (7).jpg

Zweimal im Jahr, im Juni und September, mussten die Wiesen gemäht werden. Wenn es zu nass war, mit einer Sense. Das war eine harte Knochenarbeit bei der Hitze und den Fliegen. Die etwas trockneren Wiesen wurden mit einem Grasmäher mit Pferden gemäht. So war das Straßenbild in der Bahnhofsstraße zur Heuzeit geprägt von Leiterwagen, wo Frauen drauf saßen und die Beinedurch die Sprossen hängen ließen bei der Fahrt zum Heuen. Wenn das Wetter gut war, mit Sonne und Wind, war das Heu schon in drei Tagen trocken und konnte eingefahren werden. So wurden oft schon die Fuder an den Weg herangefahren oder über die Bahn in die Bahnhofsstraße gebracht und dort wurden dann auch zwei Wagen mit Heu zusammengekettet.

In der ganzen Straße war ein würziger Duft nach frischem Heu. In Kapitel IV seiner Schrift schreibt Hugo Hehl auch über die einzige Fuhrwerkswaage in der Stadt. Dort heißt es:

„Zu einer Ackerbürgerstadt, wie Laage in den alten Chroniken beschrieben wird, gehört ja auch eine Waagschale für Ackerwagen, um die Feldfrüchte abzuwiegen. Diese lag auf dem Bahnhofsvorplatz und wurde durch den Mühlenbetrieb Hugo Lüth u. Sohn unterhalten. Wer was abzuwiegen hatte, kam mit seinem Wagen durch die Bahnhofstraße dort hin. Der Wiegemeister wohnte gleich nebenan, Haus Nr. 30, das war zur damaligen Zeit Wilhelm Lücht. Später waren es Fritz Lasarzig und Heinrich Ewer! (VE Erfassungs- und Aufkaufbetrieb). Ein Wiegemeisler war eine Vertrauensperson, galt doch das ermittelte Bruttogewicht nach Rückverwiegung des Fahrzeugs (Tara) das mit Trockenstempel abgedruckte Nettogewicht als Beweis für das abgelieferte landwirtschaftliche Produkt für das auferlegte Ablieferungssoll. Er hatte auch ein Auge darauf zu werfen, dass ja nicht ein Pferd noch mit einem Fuß auf der Waage stand. Die Waage wurde in regelmäßigen Intervallen vom Ami für Maße und Gewichte überprüft.“

Viele Jahre war diese Waage in Betrieb und zu gewissen Zeiten im Frühjahr und im Herbst bildeten sich oft lange Warteschlangen beim Voll- und Leerverwiegen. Es war immer sehr viel Trubel an diesem Ort.

Mit den Laager Ackerbürgern und mit der ab 1946 durchgeführten Bodenreform, in deren Folge viele kleine Bauernhöfe um Laage herum entstanden, entwickelte sich in Laage eine umfangreiche Infrastruktur. So gab es u.a. einige Schmieden, Stellmacher, Sattler und eine Seilerei. Alle diese Gewerke sowie die schon seit längeren Jahren in Betrieb befindlichen Windmühlen waren notwendig, um die bäuerlichen Unternehmen, Ackerbürger, Neubauern und Güter) arbeitsteilig zu unterstützen.

Aber bereits 15 Jahre später, etwa so um 1960 herum, begann die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft, die Zwangskollektivierung. Auch die Ackerbürger mussten ihre privatwirtschaftlich betriebenen Höfe in kollektivwirtschaftlich betriebene Unternehmen einbringen. So gründeten die noch übrig gebliebenen Ackerbürger 1961 eine LPG Typ l (Ackerwirtschaft gemeinsam und Viehhaltung getrennt). Bereits 5 Jahre später wurde sie wieder aufgelöst. Die Ackerflächen und ein Teil des Viehs übernahm der Betrieb VE-Gut Tierzucht Laage. Das war quasi das endgültige Ende der Laager Ackerbürger.

Beginnend im Jahre 1958 wurde der Örtliche landwirtschaftliche Betrieb (ÖLB) zu einem volkseigenen Gut umgewandelt. Ein neuer großer Landwirtschaftsbetrieb war somit im Entstehen. Die weitere Entwicklung beschreibt Eckard Schlüter wie folgt:

„Die Belegschaft bestand damals aus 22 Beschäftigten, und die Leitung wurde 1959 dem 23jährigen staatlich geprüften Landwirt Albert Brüggemann übertragen, der diese Tätigkeit dann 25 Jahre ausübte. Ihm gelang es, den Betrieb zu einer raschen Entwicklung in qualitativer und auch quantitativer Hinsicht zu verhelfen, sodass in den folgenden Jahren ein leistungsstarker Betrieb entstand, der auch über die Grenzen des Territoriums Anerkennung fand. Die Weiterbildung der Werktätigen zu Facharbeitern und Meistern, die eigene Qualifizierung zum Diplomlandwirt im Fernstudium und die Einstellung von gut ausgebildeten, leistungsfähigen Leitungsmitgliedern waren wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Betriebes. In den ersten Jahren des Bestehens wurden zur Unterbringung der ständig wachsenden Anzahl der Viehbestände sowohl noch Stallungen und Scheunen der ehemaligen Ackerbürger, als auch leer stehende Stallungen in den umliegenden Dörfern genutzt. Unter teilweise fast unzumutbaren Bedingungen wurde die Tierhaltung ermöglicht. Diese wurden auch dann noch weiterhin bewirtschaftet, als vor den Toren der Stadt Laage in Richtung Pinnow ein Stallkomplex gebaut wurde, der ständig erweitert wurde und eine wesentliche Erhöhung der Tierbestände zur Folge hatte. Für die Entwicklung des Betriebes war von ausschlaggebender Bedeutung, dass im Jahre 1964 eine Zuordnung zur WB Tierzucht erfolgte, die ihren Sitz in Paretz bei Potsdam hatte. Der Name des Betriebes lautete jetzt „VEG {Z) Tierzucht Laage.“

Innerhalb der DDR waren die damals führenden Betriebe vereinigt, die besonders bei der Bereitstellung von Kraftfutter-, Baustoff- und Düngerkontingenten bevorzugt wurden, sodass in der Folgezeit ein weiterer Ausbau der Stallanlagen erfolgen konnte. Es hatten sich leistungsstarke Abteilungen entwickelt, die auf dem Gebiet der Schweine- und der Rinderzucht auch überregionale Aufgaben zu erfüllen hatten. So war im Jahre 1964 eine Mastprüfungsanstalt (MPA) für Bullen entstanden, in der die Nachkommenschaft der Besamungsbullen der drei Nordbezirke geprüft wurde.

Im Zusammenhang mit der Universität Rostock und dem Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf wurde erfolgreich an der Züchtung von Fleischrindrassen in der DDR gearbeitet. In der Bullenprüfstation (BPS) wurden die weiblichen Nachkommen der im Bezirk Schwerin eingesetzten Besamungsbullen bis zum Ende der ersten Laktation getestet. Die Schweinezucht entwickelte sich nach dem Import von 150 jugoslawischen Schweinen zu einem in der DDR anerkannten Herdbuchzuchtbetrieb in der Fleischschweinzucht. Bis Anfang der 70er Jahre wurde ausgangs von Laage in Richtung Pinnow noch eine Entenmast betrieben.

Die Anzahl der Betriebsangehörigen entwickelte sich zu diesem Zeitpunkt enorm und erreichte im Jahr 1970 eine Zahl von 175 Beschäftigten. Die zur Verfügung stehenden Grünländereien waren durch jahrelange Vernachlässigung in einem schlechten Zustand. Durch umfangreiche Meliorationen konnte ihr Zustand entscheidend verbessert werden. Durch die Begradigung der Recknitz in den späten 60-er Jahren wurde es möglich, Flächen als Grünland zu nutzen, die vorher nicht bewirtschaftet werden konnten, ein Faktor, der das Anwachsen der Tierbestände ebenfalls ermöglichte. In der Nähe des Ortsteils Pinnow entstand ein Weidekomplex, der durch den Bau einer Beregnungsanlage sehr intensiv genutzt werden konnte und in Leistungsvergleichen auf Kreisebene stets vordere Plätze belegen konnte. In Goritz urbar gemachte Grünlandflächen ermöglichten vom zeitigen Frühjahr bis zum Herbst jeden Jahres die Weidehaltung von über 1000 Schafen der Abteilung Groß Grabow, die dem Betrieb im Jahre 1976 zugeordnet worden war. Zu diesem Zeitpunkt war der Viehbestand des Betriebes auf 5000 Schweine, 500 Milchkühe, 250 Jungrinder und 600 Bullen angewachsen.

Von Bedeutung für die Versorgung der umfangreichen Tierbestände war es auch, dass der Betrieb die heute nur noch als Ruine vorhandene Laager Holländer Mühle, ein damals weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Laage, zur Mischfutterbereitung nutzte.

Die im Jahre 1976 durchgeführte Trennung von Tier- und Pflanzenproduktionshalle ein Herauslösen von ca. 530 ha Ackerland zur Folge, die ab diesem Zeitpunkt von der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion (KAP) bewirtschaftet wurden, die ihren Sitz in Wardow hatte und zu der die beiden LPG in Breesen und Kobrow gehörten. Die Zusammenarbeit mit den Leitungen der beiden Betriebe erfolgte in überwiegend gutem Einvernehmen, und die jeweiligen Interessen wurden in wöchentlich stattfindenden Leitungsberatungen abgestimmt.

Die Bildung einer Bauabteilung mit zeitweise über 40 Mitarbeitern schaffte die Voraussetzung für die zügige Erweiterung des Betriebes. Aber auch für die Stadt Laage wurde auf vielfältige Weise Hilfe bei der Bewältigung zahlreicher notwendiger Bauvorhaben gewährt und trug dazu bei, Probleme im Territorium zu beheben, u. a. bei der Erweiterung der Kinderkrippe.

Mit den ansässigen Handwerkerbetrieben wurden ebenfalls intensive Kontakte gepflegt, die sich zum beiderseitigen Nutzen auswirkten. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass in den 70er Jahren auch verstärkt der Bau von Wohnungen erfolgte, der wesentlich zur verbesserten Unterbringung der Beschäftigten führte. So konnte die Wohnungssituation auch in der Stadt Laage verbessert werden.

Bei der Herausbildung von Fachkräften für die Landwirtschaft kam dem Betrieb ebenfalls eine große Bedeutung zu. So wurde z. B. die Lehrlingsausbildung in den verschiedensten Zweigen durchgeführt, aber besonders durch die Ausbildung von Studenten der Fach- und Hochschulen aus dem gesamten Territorium der DDR erwarb sich der Betrieb einen hervorragenden Ruf.

In der Stadt Laage nahmen Vertreter des Betriebes durch ihre Mitarbeit auf gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Ebene aktiv an der Gestaltung des Lebens teil. Eine sehr enge Zusammenarbeit war mit den sich in Laage befindlichen Schulen zu verzeichnen. Für die Beschäftigten des Betriebes wurden zahlreiche Möglichkeiten der Urlaubsgestaltung entwickelt, die in den reizvollsten Gegenden der DDR verbracht werden konnten.

Hervorzuheben ist die Tatsache, dass durch bevorzugte Bereitstellung und Schaffung von Möglichkeiten der individuellen Tierhaltung für die Werktätigen dafür gesorgt wurde, die finanzielle Lage der Familien aufzubessern.

Im Jahre 1983 sorgte die Errichtung des Kultur- und Sozialgebäudes an der Polchower Chaussee für die kulturelle Bereicherung des Lebens der Stadt Laage. Eine Möglichkeit war geschaffen worden, das kulturelle Leben des Territoriums zu aktivieren, da dieses Gebäude im damaligen Kreis Güstrow einzigartig war. Das Gebäude war zugleich der Sitz der Betriebsleitung und der Betriebsküche für die Angehörigen des Betriebes. Eine Gaststätte und die vorhandene Kegelbahn wurden auch von der Laager Bevölkerung gerne angenommen, Jugendweihen, Betriebsfeste, Karnevalsveranstaltungen, Veranstaltungen der Konzert- und Gastspieldirektion und auch Betriebsfestspiele konnten in würdigem Rahmen gestaltet werden. Das Gebäude wurde später von der Laager Bevölkerung in Erinnerung an den kurz darauf verstorbenen Direktor Albert Brüggemann in „Albertinum“ umgetauft.

Nach dem Tod des Direktors im April 1984 wurde der bisherige stellvertretende Direktor, Diplomlandwirt Eckard Schlüter, kommissarisch als Direktor eingesetzt. Im Herbst des Jahres wurde dann Diplomlandwirt Dr. Jörg Büttner mit der Leitung des Betriebes beauftragt.

Bis zum Jahr 1989 erfolgte eine stetige Weiterentwicklung des Betriebes, ehe es durch die politische Entwicklung in der DDR auch im Betrieb zu massiven Veränderungen kam und völlig neue Aufgaben zu bewältigen waren. Die zum Teil unklaren Eigentumsverhältnisse der bisher genutzten Flächen erschwerten es, Vorstellungen zu entwickeln, um den Betrieb weiter zu führen. Außerdem standen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur Versorgung der Tierbestände notwendigen Acker- und Grünlandflächen nicht mehr zur Verfügung. Es erfolgte die Umwandlung in eine Tierzuchtgüter GmbH, Zweigniederlassung Laage. Für die auf mittlerweile über 200 Beschäftigte angewachsene Belegschaft begann der radikale Abbau. Zuerst mussten die über 100 nicht unmittelbar in der Tierproduktion Beschäftigten entlassen werden, ehe es dann, bedingt durch die in verringertem Umfang produzierenden Tierzuchtabteilungen, auch hier zu Entlassungen kam.

Bis zum Frühjahr 1992 erfolgte ein stetiger Abbau der Tierbestände, und es kam zu einer Privatisierung der noch vorhandenen Abteilungen der Rinderzucht, der BMPA,der Schweinezucht, deren neue Besitzer die umliegenden Ländereien der ehemaligen Ackerbürger pachteten und überwiegend zur Futterproduktion nutzen.

Auch die seit Ende der 70er Jahre in dem 60 ha großen Waldgebiet nördlich der BMPA gehaltene Domtierherde mit einem Bestand von zeitweise über 300 Tieren ging in Privatbesitz über, wurde jedoch noch kurzer Zeit aufgelöst.

Im Jahre 1992 hatte das ursprüngliche VEG Laage aufgehört zu existieren, und es endete in Laage eine Zeit, in der über 30 Jahre eine überaus erfolgreiche Landwirtschaft betrieben wurde. Das sind ganz persönliche Erinnerungen eines Zeitzeugens zur Geschichte der Laager Landwirtschaft in den Jahren von etwa 1960 bis 1992. Der Verfasser dieser Geschichte hat in diesem Beitrag bereits darauf hingewiesen, welch große Bedeutung dieser Betrieb auch für die Entwicklung des gesamten Sportgeschehens in Laage hatte, denn dieser Betrieb gehörte mit zur ökonomischen Basis des Gemeindeverbandes Laage und Umgebung, der in den 1970er Jahren gegründet wurde und während dieser Zeit bis zur Wende hin, die Kleinstadt Laage zum Zentrum des Sportes im ländlichen Raum machte.

Letztlich noch ein Wort in eigener Sache. Als ehemaliges Mitglied des Laager Heimatvereins habe ich mit sehr viel Freude im Albertinum Musikveranstaltungen in der Reihe „Laager Stadtmusikanten“ organisiert. Kapellen aller Art, Einzelsolisten und Chöre aus Laage und aus der Umgebung zeigten ihr Können und erfreuten somit viele musikinteressierte Menschen in Laage. Aber das ist leider Geschichte.

Teiltexte:

Eckard Schlüter und Köte Harms geb. Schröder.

Quellen:

Gedächtnisprotokoll, von Fritz Abs und den Ackerbürgern Karl Auge,
Hans- Ludwig Deicke und Willi Elsner über: „Die letzten Ackerbürger in der Stadt“
Unveröffentlichtes Manuskript: „Lebenserinnerungen“ von Ernst-August Dahl
Kindheitserinnerungen, von Köte Harms, Tochter des Ackerbürgers Wilhelm Schröder
Zur Geschichte des VEG Laage, von Eckord Schlüter
Kapitel IV. und V. aus „Eine Straße schreibt Geschichte“, Hugo Hehl
Geschichte der Stadt Laage, Carl Beyer
Schrift der Stadt Laage zur 775. Jahrfeier der Stadt

#Laage | #LaagerErinnerungen | #Elsner | #WilhelmElsner | #Deicke | #LudwigDeicke | #Ackerbürger

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 Laager Erinnerungen

Thema von Anders Norén